A reichte ein Baugesuch für den Wiederaufbau von Garagen und den Neubau von drei Studios auf zwei benachbarten Grundstücken in der Gemeinde X ein. Der Gemeinderat erteilt die Baubewilligung und wies eine dagegen geführte Einsprache eines Nachbarn grösstenteils ab. In einem Punkt hiess er dessen Einsprache in dem Sinne gut, als er die Bauherrschaft anwies, die projektierte Aussentreppe an der Ostfassade des projektierten Gebäudes zu reduzieren. Gegen die Baubewilligung führte der Nachbar Verwaltungsbeschwerde, die der Regierungsrat guthiess und die Baubewilligung aufhob. Gegen diesen Entscheid reichten sowohl die Bauherrschaft als auch die Gemeinde zwei getrennte Verwaltungsgerichtsbeschwerden ein. Das Verwaltungsgericht trat sowohl auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Bauherrschaft als auch auf diejenige der Gemeinde ein, wies beide Beschwerden indes ab.
Aus den Erwägungen:
2. - c/bb) Es fragt sich, ob die Einwohnergemeinde zur Einreichung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt ist. Die Streitsache beurteilt sich nach kantonalem Recht, weshalb die Frage der Beschwerdelegitimation der Einwohnergemeinde nach kantonalem Prozessrecht zu beurteilen ist. Die Beschwerdelegitimation beurteilt sich grundsätzlich nach Massgabe von § 207 Abs. 1 lit. a PBG. Danach sind Personen zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt, die an der Änderung Aufhebung des angefochtenen Entscheides ein schutzwürdiges Interesse haben. Bei Einwohnergemeinden wird ein schutzwürdiges Interesse u.a. dann bejaht, wenn eine Verfügung ihren Bestand und ihre Autonomie gefährdet, wenn eine Verfügung private Eigentumsrechte der Gemeinde verletzt (vgl. LGVE 1983 II Nr. 35, mit Hinweisen). Inwiefern der vorinstanzliche Entscheid private Eigentumsrechte der Einwohnergemeinde tangieren sollte, wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht zu erkennen. Die Einwohnergemeinde stellt sich auf den Standpunkt, die Vorinstanz habe die Gemeindeautonomie verletzt. Diese Rüge genügt, um die Einwohnergemeinde diesbezüglich als zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert zu betrachten; ob und inwieweit sie den angerufenen Schutz der Gemeindeautonomie geniesst, ist nicht beim Eintreten zu prüfen, sondern bei der materiellen Beurteilung ihrer Vorbringen (Haller/Karlen, Raumplanungsund Baurecht, 2. Auflage, N 96, mit Hinweisen; BGE 119 Ia 217 Erw. 1c). Existenz und Ausmass der Gemeindeautonomie sind durch die kantonale Verfassung und Gesetzgebung bestimmt, allenfalls auch durch kantonales Gewohnheitsrecht (BGE 115 Ia 55); teilweise werden ungeschriebene und historisch gewachsene Autonomiebereiche anerkannt (BGE 114 Ia 170). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Gemeinde in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen Bereich nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt (BGE 118 Ia 453f. mit weiteren Hinweisen). Ein geschützter kommunaler Autonomiebereich kann insbesondere im Zusammenhang mit der Anwendung kantonalen Rechts vorliegen, wenn dieses der Gemeinde eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit belässt (BGE 118 Ia 219). Wie im einzelnen noch näher darzulegen sein wird, dreht sich die Streitsache im vorliegenden Verfahren um besondere Aspekte im Zusammenhang mit dem Ortsbildschutz. Derartige Fragen beschlagen ihrer Natur nach einen Gegenstand, der dem Bereich kommunaler Selbstbestimmung zugeordnet werden kann (vgl. BGE 101 Ia 517ff.). Im einzelnen kann eine Gemeinde beispielsweise rügen, eine kantonale Behörde habe ihre Zuständigkeit ihre Prüfungsbefugnis überschritten (BGE 118 Ia 220) eine kantonale Behörde habe in Anwendung kommunaler, kantonaler eidgenössischer Bestimmungen gegen das Willkürverbot verstossen, wenn die Rüge mit jener der Verletzung der Gemeindeautonomie eng zusammenhängt (BGE 114 Ia 170). Selbst Private können sich zur Unterstützung ihrer Prozessposition, wie im vorliegenden Verfahren, hilfsweise auf die Gemeindeautonomie stützen (vgl. BGE 114 Ia 202).
Die luzernischen Gemeinden haben das Recht, «ihre Angelegenheiten» innert den verfassungsmässigen und gesetzlichen Schranken selbständig zu besorgen (§ 87 Abs. 1 Satz 1 KV; BGE 116 Ia 287 Erw. 3a mit Hinweisen). Im Bereich des Planungsund Baurechts sind die luzernischen Gemeinden nach den §§ 34-36 PBG insbesondere befugt bzw. verpflichtet, Zonenpläne sowie Bauund Zonenreglemente zu erlassen. Nach § 17 Abs. 2 PBG erlassen die Stimmberechtigten einer Gemeinde Bebauungspläne, vorbehältlich einer abweichenden Zuständigkeitsregelung in der Gemeindeordnung im Bauund Zonenreglement. Es kommt den Gemeinden in diesem Sachbereich im Rahmen der Bestimmungen des PBG daher grundsätzlich Autonomie zu. Einen gewissen Autonomiebereich geniessen die Gemeinden, wie bereits gesagt, insbesondere auch im Bereich des Ortsbildschutzes, worauf zurückzukommen sein wird. Nach dem Gesagten ist auf die Autonomiebeschwerde der Einwohnergemeinde einzutreten.
3. - b) Das kantonale Recht definiert im PBG die Typen der Baulinien. Heranzuziehen sind diesbezüglich die §§ 30 und 31 PBG. Die Aufzählung in § 30 lit. a-e PBG ist nicht abschliessend, wie sich aus der Formulierung «insbesondere» klarerweise ergibt. Eine einheitliche Fachdefinition für Baulinien und deren Zweck und Bedeutung gibt es nicht. Flach spricht in seinem Standardwerk diesbezüglich von einem fast einmaligen Begriffschaos (Flach, Baulinien im schweizerischen Recht, 2 Bände, Diss. Zürich 1979, S. 894). Die Auslegung dieser Bestimmungen hat daher vorab nach luzernischem Recht zu erfolgen.
Gemäss § 31 Abs. 1 PBG begrenzen die Baulinien die Bebaubarkeit der Grundstücke. Diese Normalbaulinien bilden in der Regel die Grenze für die äussersten Bauteile, so dass eine Überschreitung grundsätzlich nicht zulässig ist, was zumindest für Strassenbaulinien ausdrücklich gesagt wird (§ 67 Abs. 2 StrG). Ob das kommunale Recht hier für bestimmte Baulinien eine andere Regelung treffen könnte, kann offen gelassen werden (vgl. dazu die bernische Regelung bei: Zaugg, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, Bern 2. Auflage 1995, Note 9 zu Art. 90/91).
Daneben und im Unterschied dazu definiert das PBG auch die Baubegrenzungslinien in § 31 Abs. 2 PBG. Baubegrenzungslinien begrenzen nicht die Bebaubarkeit der Grundstücke, sondern bestimmen die zulässige Grundfläche der Bauten und das Ausmass der Freihalteflächen. Dieser besondere Baulinientyp zählt zu den sogenannten «Gestaltungsbaulinien». Die Gestaltungsbaulinien dienen vorab als Gestaltungsregeln in den Spezialplänen. Das kantonale Recht regelt bei den Gestaltungsbaulinien ausser der Begrenzung der Grundfläche nichts. Ob und wieweit diese Baubgegrenzungslinien oberhalb der Grundfläche durch Bauteile überschritten werden dürfen, muss somit der Regelung in den Spezialplänen Bauund Zonenreglementen überlassen werden, mithin dem kommunalen Recht. Eine andere Auslegung wäre sinnwidrig und würde die Differenzierung zu den Baulinien im PBG unnötig machen. Wenn die Baubegrenzungs-linie gleich aufzufassen wäre, wie die Baulinie, hätte eine solche Auslegung zur Folge, dass - wenn an die Baubegrenzungslinie zu bauen ist - keinerlei klassische Satteldächer zulässig wären. Damit würde diese Baubegrenzungslinie, die vorab für Ortskernplanungen sinnvoll ist, ihre Zweckbestimmung verlieren. Nach dem Gesagten ergibt sich, dass dem kantonalen Recht bezüglich der Baubegrenzungslinien ausschliesslich verbindliche Aussagen über die Grundfläche und die Freihalteflächen zu entnehmen sind. Darüberhinaus ist es, entsprechend der jeweiligen Zielsetzung der Gestaltungsbaulinie, Sache der kommunalen Rechtsetzung bzw. der kommunalen Planung (BZR Sondernutzungsplan), gegebenenfalls zu regeln, ob unterund oberirdische Überschreitungen von Baubegrenzungslinien zulässig sein sollen nicht. Damit ist diese Frage dem kommunalen Recht überlassen und dessen Auslegung beschlägt, wie gesagt, die Gemeindeautonomie.
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